Sexualität ist ein natürlicher Teil der menschlichen Entwicklung, der unabhängig vom Alter in jeder Phase des Lebens von Bedeutung ist. Sexualpädagogik ist mehr als Aufklärung.
Sexualpädagogische Arbeit im LWL-Internat Dortmund will Mädchen und Jungen individuell Begleitung und vielseitige Unterstützung bei Themen bieten, die mit der körperlichen Entwicklung und Sexualität zu tun haben.
In unserer pädagogischen Arbeit fördern wir das Selbstvertrauen der Internatsbewohnerinnen und Internatsbewohner und stärken verantwortliches Verhalten gegenüber sich selbst und anderen.
Sich diesem Thema mit hörgeschädigten/gehörlosen Kindern und Jugendlichen zu nähern erfordert, dass wir das Spektrum an Ausdrucksmöglichkeiten dieser aufgreifen und erweitern.
Unserer Arbeit liegt ein Verständnis von emanzipatorischer Sexualpädagogik zugrunde, die sexualfreundlich ist und eine selbstbestimmte Sexualität des Menschen unterstützt. Dabei berücksichtigen wir die Vielfalt der Kulturen der uns anvertrauten Kinder und Jugendlichen, sowie die damit verbundenen spezifischen Normen und Werte. Hierbei legen wir Wert darauf, dass das Geschlechterverhältnis von gegenseitigem Respekt und Fürsorglichkeit geprägt wird. Im Kontext des situativen Lebenslernen integrieren wir sexualpädagogische Aufklärungsarbeit in den Alltag.
Mit dem Wissen, dass jede Schülerin und jeder Schüler mit unterschiedlicher individueller Prägung zu uns kommt, stehen wir als Erzieherinnen, Erzieher und Internatsleitung diesen und ihren Eltern mit der Aufnahme in unsere Einrichtung daher aktuell, zeitnah und vertrauensvoll für Fragen zur Verfügung. Schon im Rahmen des Aufnahmeprozesses vermitteln wir unsere institutionelle sexualpädagogische Haltung.
Dabei berücksichtigen wir die individuelle Situation der Beteiligten, deren Befindlichkeit und deren kulturellen Hintergrund.
Im Rahmen des Informationsaustausches setzen wir auf eine offene, wertschätzende und konstruktive Zusammenarbeit. Grundvoraussetzung hierfür sind unsere fachlichen Kompetenzen, welche durch Fort- und Weiterbildungen, auch in den rechtlichen Grundlagen, beständig erweitert werden.
Die Kinder und Jugendlichen stehen in diesem Prozess dabei mit ihren Belangen immer im Vordergrund.
- Berücksichtigung der individuellen Lebensgeschichte des Einzelnen,
- Mädchen und Jungen ein Bewusstsein ihrer Stärken und Fähigkeiten vermitteln und ihr Selbstwertgefühl stärken,
- Sie dabei unterstützen, ihre eigenen Gefühle und Bedürfnisse wahrzunehmen, diesen Gefühlen trauen und lernen sie auszudrücken,
- Ihnen vermitteln, dass sie Rechte haben und auch den anderen Kindern, Jugendlichen und Erwachsenen gegenüber Grenzen setzen dürfen. Hierzu gehört zum Beispiel das Recht auf selbstbestimmenden Körperkontakt,
- Vermitteln von Verantwortung und Verantwortungsübernahme,
- Schaffung eines Klimas für Offenheit, Respekt und Toleranz,
- Bereitstellen von Materialien (z.B. Rechtekatalog, Flyer, Prospekte etc.),
- Die Einrichtung selbst ist von klaren Strukturen gekennzeichnet (strukturiertes Beschwerdemanagement etc.),
- Kollegiale Beratung/Supervision innerhalb der pädagogischen Mitarbeiterschaft sind sichergestellt.
- Wahrnehmen und zuhören
- wenn sich ein Kind oder eine Jugendliche bzw. ein Jugendlicher anvertraut:
- Ruhe bewahren, sich Zeit nehmen
- nicht nachbohren, keine Details vorgeben
- Glauben schenken und nicht in Frage stellen
- dem Jugendlichen das Gefühl geben, ernst genommen zu werden
- Vermeidung von vorschnellen Spekulationen und Bewertungen
- Dokumentation und Information an den Vorgesetzten
- vor einer Einschätzung kollegiale Beratung im Team
- gegebenenfalls durch die Internatsleitung externe Beratung einholen (vgl. Anhang)
- Meldung nach §8a SGB VIII an das JA der Stadt Dortmund und an die Fachabteilung des LWL
In unserer pädagogischen Arbeit unterscheiden wir zwischen biologischer, psychologischer und kultureller sexueller Bildung. Ausgangspunkt unserer Arbeit sind die Annahmen, dass
-Bildungsprozesse bewusst und unbewusst stattfinden,
-durch die heutige mediale Präsenz die Einflüsse auch im Bereich der Sexualität stark ausgeprägt sind
-eine persönliche, konkrete Einflussnahme als Vorbild für Kinder und Jugendliche nicht zu ersetzen ist
Die biologisch sexuelle Bildung bezieht sich auf die hormonellen Veränderungen eines heranwachsenden Menschen. Auf der Basis eines vertrauensvollen Zusammenlebens, begleiten wir in unserer Einrichtung die Kinder und Jugendlichen entsprechend ihrer körperlichen Entwicklung. So ist es wichtig, diesen Bereich nicht zu tabuisieren, sondern dessen Inhalte auf einem individuellen sprachlichen Niveau des Einzelnen im Alltag zu thematisieren. In diesem Zusammenhang ist unser Handeln so ausgerichtet, dass die körperliche Veränderung des Einzelnen nicht durch Angst geprägt wird, sondern durch Aufklärung, Verstehen und Annahme gefördert wird.
Die psychologische sexuelle Bildung bezieht sich auf seelische Veränderungen, die der körperliche Entwicklungsprozess auslöst. Kinder und Jugendliche können lernen, die angeborene Triebhaftigkeit wahrzunehmen, zu akzeptieren und zu steuern. In diesem Modell verstehen wir uns als begleitende und beratende Fachkräfte. Der Schwerpunkt liegt in einem individuellen, selbstbewussten Stärken der eigenen Persönlichkeit, welche mit einer authentischen Akzeptanz der eigenen Person einhergehen muss: „ICH BIN SO WIE ICH BIN!“ - Dieses ICH steht zu seiner sexuellen Persönlichkeit und respektiert ganzheitlich auch die seines Gegenübers.
Die kulturelle sexuelle Bildung bezieht sich auf das individuelle soziale Umfeld des Einzelnen. Wir begegnen den Kindern und Jugendlichen, die in unsere Einrichtung kommen und geprägt sind durch Familie, Religion und Gesellschaft, ganzheitlich. Die gegebenen, unterschiedlichen Lebensformen werden von uns wahrgenommen und akzeptiert. Dieser ganzheitliche Ansatz steht auf den gegebenen Voraussetzungen von in Deutschland gültigen Gesetzen. Auf der Basis einer postmodernen Gesellschaft, die durch unterschiedliche Einflüsse im ständigen Wandel steht, wollen wir den Bewohnerinnen und Bewohnern Sicherheit geben, in dem wir sie wohlwollend, individuell und verbindlich begleiten.
Wir sehen die sexuelle Entwicklung der uns anvertrauten Kinder und Jugendlichen als Teil ihrer Persönlichkeitsentwicklung, die wir mit einer offenen Haltung erzieherisch begleiten. Dabei folgen wir einem ganzheitlichen Verständnis von Sexualität, dass die Wahrung der persönlichen Intimität genauso berücksichtigt, wie die selbstbestimmte sexuelle Erfahrung, soweit wir diese im institutionellen Kontext zulassen.
Zum Schutz der Internatsbewohnerinnen und Internatsbewohner, aber auch zu unserem eigenen Schutz, bilden die rechtlichen Rahmenbedingungen die Grundlage unserer Bewertungen und Entscheidungen.
Körperkontakte gehören zu den menschlichen Grundbedürfnissen und können sich in der Wohngemeinschaft eines Internates aus vielen alltäglichen Situationen heraus ergeben. Hier gilt es besonders für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter die Situation entsprechend einzuschätzen und sich angemessen zu verhalten, um sich und die anvertrauten Kinder und Jugendlichen zu schützen.
Der Umgang mit Nähe und Distanz sind Kriterien für eine professionelle Beziehungsarbeit (Beachten der jeweiligen Situation und des Lebensalters, zu den Bewohnerinnen und Bewohnern ist eine natürliche körperliche Distanz aufzubauen). Im Zweifelsfall sollten Körperkontakte fachlich begründet werden können, z.B. das Gute-Nacht- Ritual; Trostspenden; Begrüßung; beim Sport etc. Auch das Einholen einer Erlaubnis, z.B. „darf ich dich auch drücken“, kann im Zweifelsfall eine Option sein.
Auch wenn die Räumlichkeiten unserer Wohngruppen keinen abzuschließenden Bereich anbieten, sollten die jeweiligen bewohnten Zimmer als Rückzugsmöglichkeiten im Bewusstsein aller Mitbewohnerinnen und Mitbewohner den Status einer Privatsphäre haben und durch ritualisierte Verhaltensmuster wie zum Beispiel Anklopfen, Anfragen etc. geschützt werden. Grenzüberschreitungen nehmen wir bewusst wahr und thematisieren sie mit den Kindern und Jugendlichen. Dazu gehört auch das Ansprechen von sexualisiertem Verhalten, welches sich u.a. durch provokante Sprache, Kleidung, Gestik etc. äußern kann.
Unser Ziel ist es, die Schülerinnen und Schüler für das Thema zu sensibilisieren, Zivilcourage zu fördern und zur Selbstreflektion zu motivieren. Die uns anvertrauten Kinder und Jugendlichen sollen so zu einer realistischen Sichtweise gelangen, um sich gegebenenfalls auch eigenverantwortlich schützen zu können.